Ducati 888 Strada, Kawasaki ZXR 750, Suzuki GSX-R 750W, Yamaha YZF 750R


Eine Winterreise

Erst Reisen, dann rennen: Auf einer Tour in den sonnigen Hochschwarzwald loteten die Lanstreckentauglichkeit der vier Supersportler aus, um sie anschließend auf der Rennstrecke von Magny Cours durch Kurvenlabyrinthe zu treiben.


Ungewissheit plagte die Tester in den vergangenen Wochen ebenso wie dichter Nebel Land und Leute. SchIießlich ging es um die Antwort auf die Frage : Welche Maschine ist die Beste unter den Superbike-Ablegern? Denn das Kräfteverhältnis muß völlig neu bestimmt werden, weil die Dauer-Duellanten Kawasaki ZXR 750 und Suzuki GSX-R 750 W (siehe auch PS 12/92) mit der Ducati 888 Strada und der nagelneuen Yamaha YZF 750 R ernsthafte Konkurrenz bekommen haben.

Weil der Nebel über den Niederungen und die Unklarheit in den Köpfen der Tester nicht weichen wollten, unternahmen sie mit den vier Supersportlern weite Winterreisen, verlagerten den Alltagsfahrbetrieb in den sonnigen Hochschwarzwald und verlegten den Rennstreckentest ins burgundische Magny Cours. Der Circuit de Nevers-Magny Cours, komfortable 13 Grad Nachmittagstemperatur und eine Meute hochmotivierter französischer Rennfahrer sorgten für das richtige TestUmFeld. Denn nichts klärt den Kopf so schnell wie der bellende Auspuffhohn überholender Yamaha TZ 250 oder Aprilia AF 1 250.


Es liegt was in der Luft, und zwar Leistung: Durch diesen großzügig bemessenen Schacht gelangt der Fahrtwind in den Luftfilterkasten und bringt bei hohem Tempo mehr Luftdurchsatz und damit Power für die ZXR.
Wie angenehm war es trotzdem, als die Tester mit neugewonnener Klarheit eine freudige überraschung erleben durften: Die Ducati 888 Strada, 851-Nachfolger mit neuem Ansaugsystem und TüV-gerechtem Auspuff, rennt infernalisch schnell; nur die Kawasaki kann ihr auf der Geraden knapp den Rang ablaufen. Es ist schon eine kleine Sensation, daß die Ducati der schon von früheren Tests bekannten Raketen-ZXR auch beim Prüfstandslauf so dicht auf den Fersen bleiben kann. Mit 110 und 113 PS liegen Duc und Kawa zwar jenseits aller gesetzlich eingeräumten Toleranzen - doch jedem, der die beiden ausfahren durfte, war die Frage nach legal und illegal bald egal.

Das Geheimnis der Hochleistung scheint auch bei der Ducati in einem Ram-Air-System nach Kawasaki-Vorbild zu liegen. äußerlich hat sich die Duc-Verkieidung nicht verändert; die beiden Nüstern neben dem Scheinwerfer dienen schon lange als Atemorgane der Desmo-Twins. Während aber die Schläuche der Lufttrichter bislang nur in den Bereich der Ansaugschnorchel reichten, leiten sie den druckvoll anströmenden Fahrtwind jetzt direkt in den Luftfilterkasten und sorgen so für höheren Luftdurchsatz.

Obgleich die Suzuki und die Yamaha - beide ohne "Ramm-Luft" - mit gemessenen 105 und 102 PS alles andere als schwachbrüstige Exemplare sind, haben sie im oberen Geschwindigkeitsbereich doch etwas Mühe, den Anschluß zu halten. Die Suzuki kämpft gegen den Luftwiderstand der hoch aufragenden Verkleidung, die Yamahagegen ihre ehrliche Drosselung, die ihr den Eintritt in die 98 PS-Versicherungsklasse verschafft. Die Kawasaki und die Suzuki wurden bereits im vergangenen Jahr zugelassen; sie sind noch gemäß der 100 PS-Grenze homologiert.


98 PS hin,100 PS her. Die Fahrleistungen liegen durchweg auf einem faszinierend hohen Niveau, das durch die sehr verschiedenen Leistungscharakteristiken der Supersportler noch zusätzlich an Reiz gewinnt. Zu diesem Thema ermöglicht eine schnelle Bergauf-Rechtskurve in Magny Cours, aus der Fahrer und Motorräder auf 800 Meter Vollgasstrecke katapultiert werden, intensive Studien.

Sonnenbad und Kurvenrausch: Eine ganz neue Form des Winter vergnügens, hier vorgeführt von der Suzuki GSX R 750 W und der Ducati 888 Strada im sauerstoffreichen Feldberggebiet
Hierfällt sofort die enorme Drehmomentstärke der Ducati auf. Wegen ihrer langen übersetzung - und obwohl sie die leichteste Maschine des Vergleichs ist - mag sie zwar Durchzugsübungen im letzten Gang nicht besonders gern und ruckelt unter 3000/min unwillig mit ihren leichten Schwungmassen. Wenn aber ab 5000/min das Teillastgrollen des V-Twins am Ausgang der Kurve zum harten Beschleunigungs-Hämmern anschwillt, malt der Hinterreifen schwarze Striche auf die Piste, und der Konkurrenz scheint erst mal die Luft wegzubleiben. Vom Anfang des Drehzahlbandes an übertrifft der Ducati-Twin das Drehmoment der japanischen Vierzylinder - ein Vorteil, den er bis zu seiner Höchstdrehzahl nicht mehr abgibt.

In der Beschleunigung aus mittleren Drehzahlen kann am ehesten die durchzugstarke Yamaha mithalten, die von 50 bis 150 km/h die besten Elastizitätswerte in den Speicher des Meßgeräts schreibt und somit die für den Straßenverkehr günstigste Motorabstimmung bietet. Ihr kurzhubiger Fünfventiler trägt im Sammler der Auspuffkrümmer die schon von der OW 01 und der FZR 1000 bekannte Exup-Walze. In Abhängigkeit von der Drehzahl verändert sie den Krümmerquerschnitt und glättet so die Drehmomentkurve.
Natürlich profitiert die YZF beim Durchzug auch von ihrem niedrigen Gewicht. Die vom Werk angekündigten 217 Kilogramm hat sie
zwar nicht geschafft; mit knapp 226 Kilogramm ist sie aber fast so leicht wie die Ducati.


Wer sagt da, zur Winterszeit könne man im Schwarzwald nur Skifahren ? Auch die Yamaha YZF 750 R und die Kawasaki ZXR 750 beherrschen sportliche Umsteigeschwünge und elegantes Wedeln (foto: GSX-R 750W)
Dichtauf folgt die recht schwere Kawasaki, die zwar kräftig durchzieht, ihre wahre Klasse aber erst ab 9000/min fauchend entfaltet. Wer den Kawa-Motor in diesem Bereich hält, braucht beim Gasaufziehen in großer Schräglage eine Menge Feingefühl, sonst drohen heftige Rutscher. Eher noch höhere Drehzahlen verlangt die Suzuki, die auch im Durchzug diesmal weiter zurückfiel als noch im Doppeltest. Ihre höchste Leistung erreicht sie zwar schon bei 10 100/min, hält aber bis über 11 300/min noch über 100 PS. An ihrem Motor gefällt die mechanische Laufruhe, mit der ihr solche Drehzahlen von der Kurbelwelle gehen.

Ihre Dienste lassen sich drei der Motoren mit nicht allzuviel Sprit honorieren. Ducatis Twin und die beiden Vierzylinder von Kawasaki und Suzuki bleiben im Alltagsbetrieb unter sieben Liter/100 km und langen erst im drehzahlintensiven Rennstreckenbetrieb richtig hin. Unter denselben Alltagsbedingungen wie ihre Konkurrenten genehmigt sich die YZF gut eineinhalb Liter mehr pro 100 Kilometer.


Die Kawasaki war die schnellste auf der Rennstrecke mit seinem kräftigen Motor und super Bremsen
Kommen wir zu den Bremsen: Am Ende der Vollgaspassage wird die bisher aufgrund der Motoreigenschaften ermittelte Reihenfolge dramatisch durcheinandergewürfelt. Die Kawasaki und die Suzuki schieben sich an der Yamaha vorbei und rücken kurz vor der Anbremszone der Ducati auf den Pelz, um sie schließlich auch noch zu überholen. Viel früher als die anderen muß der Ducati-Fahrer nämlich die folgende Rechtskehre anbremsen, in die mit ungefähr 60 km/h eingewinkelt wird. Mit zunehmendem Bremsweg wird der Duc-Druckpunkt immer teigiger; schließlich schlägt sogar der Hebel an das Seilzuggehäuse des Gasgriffs an. Während sich die Kawasaki und die Yamaha dank ihrer Superbremsen als erste in die Kehre schmiegen, gefolgt von der Suzuki, kämpft der Ducati-Pilot gegen die Verlockung, die reichlich bemessene und gut asphaltierte Notbremszone zu nutzen.

Seit es Ducati 851 gibt, erzeugen ihre Brembo-Bremsen immer die gleiche Kritik: Der Bremszylinder hat mit 16 Millimeter einen zu
geringenDurchmesser; deshalb ist schon bei kalter Bremse kaum ein Druckpunkt zu spüren. Unter Belastung wird alles noch schlimmer.
Als es PS-Schrauber Mike Funke zu viel wurde, verpaßte er der Ducati kurzerhand den 18er Bremszylinder eines anderen Motorrads.
Auf Rennstrecken zu fahren, so meinte er, müsse schließlich Spaß machen. Und siehe: Schon mit vom häufigen Durchpumpen
aufgerührter Bremsflüssigkeit befüllt und eher flüchtig entlüftet, zeigte sich die Bremse wie verwandelt. Die letzte halbe Stunde Fahrzeit
widmete der Ducati-Fahrer intensiven Wett-Bremsungen mit einer 125er Renn-Honda. Die 888 schlug sich dabei ausgesprochen wacker.
Auf die Wertung kann dieses erfreuliche Erlebnis freilich keinen Einfluß haben. Es soll nur unsere Forderung an Ducati, dem leidigen
Bremsenproblem endlich Abhilfe zu schaffen, untermauern.


Die neue Star der Strecke : der Top-shot Yamaha YZF. Handlichkeit ist gut, Bremsen und Federelemente sind perfekt.
Konnte die Yamaha YZF schon beim Bremsen Pluspunkte sammeln, wobei sie der Kawasaki ZXR 750 mit ihrer geringfügig besser dosierbaren Bremse noch den Vortritt lassen mußte, so schlägt im Kurvenlabyrinth ihre große Stunde - dort, wo sich die Piste kunstvoll in sich selbst verschlingt. Rechts-Links Schikane, zuziehende Links kurve, Schikane, Rechtskurve, Schikane, Rechtskurve, Zielgerade, so lautet die Beschreibung des Parcours, den die Yamaha so bravourös meistert. Sie schafft das, indem sie ihrem Fahrer ermöglicht, auch bei schwierigen Manövern relativ Iocker zu bleiben. Eine tiefe Sitzposition geben ihm im Verein mit recht hoch montierten Lenkerstummeln den Eindruck, mitten im Schwerpunkt zu sitzen, im Massenzentrum, wo alle Kräfte ansetzen und die Lenkimpulse am effektivsten umgesetzt werden können.


Schwerpunktkünstler: Die Yamaha Iiegt in der Hand ihres Fahrers wie ein gut ausgewogenes Flörett. Alle gewichtigen Teile sind eng beieinander; glelchzeitig ermöglicht diese Bauart strömungsgünstige Einlaßkanäle
Geringe Lenk- und Haltekräfte verleihen der YZF ein prickelnd direktes Fahrverhalten. Trotzdem ist sie nicht von nervöser Handlichkeit. Selbst nachdem sie richtig in Schräglage geworfen wurde, kann der Fahrer das stützende Eindrehen des Vorderrads in Richtung der Kurve weich und ohne Verreißen vollziehen. Eine noch bei der OW 01 kritisierte, nervöse Kopflastigkeit wurde bei der YZF durch die geänderte Einbaulage des Motors vermieden.


Das macht die Duc einzigartig: Längs eingebauter Desmo-V2 mit Vierventil Zylinderköpfen und Einspritzung in einem schlanken Gitterrohrrahmen. Die Wirkung der Vorderradbremse läßt leider zu wünschen übrig
Maßgeblichen Anteil an den vorbildlichen Lenkeigenschaften der Yamaha leistet die Bridgestone BT 50-Serienbereifung, die übrigens als einziges Reifenpaar für alle Kandidaten des Vergleichs gleichzeitig freigegeben ist. Um den Einfluß der Reifen auf die einzelnen Motorräder auszuloten, nahmen wir die Gelegenheit wahr und fuhren alle Maschinen auch auf BT 50 in der weichen Supersport-Mischung. Sportlichkeit braucht schließlich guten Grip, und den bieten die weichen BT 50 in reichlichem Maß.

Mit den japanischen Pneus mausert sich die Ducati zu einem Fahrwerksschmankerl, das den Handlingqualitäten der Yamaha sehr nahe rückt. Vor allem die schnelleren Schikanen nimmt die Ducati so leicht und zielgenau wie die Yamaha, wobei sie auch von ihrer schmalen Kurbelwelle profitiert. Die relativ breiten Vierzylinderwellen erzeugen bei hohen Drehzahlen durch ihr Massenmoment einen Effekt wie die Balancestange eines Seiltänzers - sie wirken nämlich einer beim Motorrad durchaus erwünschten Kippneigung entgegen.


In ihrer Bauart gleicht die Kawasaki ZXR 750 der Yamaha YZF. Der Brückenrahmen ermöglicht, kombiniert mit dem schmalen Vierzylindermotor, eine sehr günstige Schwerpunktlage
Die einzige, die durch die BT 50 etwas an Agilität einbüßte, war die Kawasaki. Obwohl die Höhenverstellung des Hecks in die handling freundlichste Stellung gedreht war, gab sie sich vor allem beim schnellen Umlegen von einer Schräglage in die andere spürbar träger als mit den serienmäßigen Dunlop Sportmax. Mit viel Kraftaufwand mußte sie aus der Schräglage gezogen werden, was von der gegenüber dem Sportmax-Hinterradreifen geringeren Aufstellneigung des BT 50 mitverursacht wird. Wird in Wechselkurven Gas gegeben, um mit einer Belastung der Hinterhand das Aufrichten zu erleichtern, wirkt dies beim flach konturierten Sportmax stärker als beim BT 50.

Die Bridgestone sind für die GSX-R durchaus zu empfehlen; dennoch hielten wir uns nicht an den von Suzuki vorgeschriebenen Luftdruck. Er scheint zu niedrig. 2,5 bar im Vorderreifen und 2,8 bar im Hinterreifen sollte der Luftdruck schon betragen, wenn die Suzi ihr bestes Handling erreichen soll. Schon ein Absenken des Drucks um 0,2 bar vermindert die Agilität der hochgebauten und schweren Suzuki GSX-R 750 spürbar.

Der Hinterreifen zeigt auch beim Beschleunigen in Schräglage, daß er einen hohen Luft druck braucht. Sonst knickt er nämlich unter der Belastung durch die Seitenführungs- und Antriebskräfte so stark ein, daß die Suzuki mit ausgeprägtem Hinternwackeln die Kurve verläßt. Noch besser als die 170/60er Dimension hat uns auf der Suzuki der BT 50 in der Größe 180/55 ZR 17 gefallen, der allerdings einer Sonderfreigabe bedarf. Die sichtbar rundere Kontur des 180er Reifens verbessert die Handlichkeit, und der niedrigere Querschnitt reduziert das oben erwähnte Beschleunigungsrühren.


Der Motor der Suzuki GSX R 750 W wird vom Rahmen nicht seitlich umfaßt, sondern in eine Doppelschleife geschlungen. Durch den obenaufsitzenden Tank rutscht der Schwerpunkt nach oben
Die GSX-R kann diese Verbesserung brauchen, denn die Konkurrenz übertrifft ihre an sich guten Handlingeigen schaften mittierweile deutlich. Der Fahrwerksvorsprung der Konkurrenten gilt auch bei Hochgeschwindigkeit auf Autobahnen, wo die Ducati mit der Yamaha und der Kawasaki im Schlepptau selbst wellige Kurven stoisch gelassen durcheilt, während die Suzi zwar nicht kritisch, aber fühlbar um die Längsachse rührt.

Für die Beurteilung der Federungsabstimmungen ist die Strecke von Magny Cours wegen ihrer fast wellenfreien Fahrbahnoberfläche nicht so gut geeignet. Selbst einige für Rennstreckenfahrt typische Erscheinungen wie Chattering des Vorderrads, das oft beim Einfahren in eine Kurve entsteht, war nicht zu bemerken. Die Kawasaki und die Suzuki quittierten die alltagstaugliche Zugstufeneinstellung des Federbeins nach mehreren Runden mit hektischem Pumpen der Hinterhand beim Beschleunigen, ließen sich aber durch eine Abkühlpause und einen Dreh am Einstellrad mit strafferer Zugstufe beruhigen.


Vorsicht, bissige Bremse: Sechskolben-Festsättel und schüsselgroße Bremsscheiben verrögern die YZF mit renntauglicher Vehemenz. Die Exup-Walze und die Hebelumlenkung sind Schlüsselteile für Motor- und Federungscharakteristik der neuen Yamaha
Im normalen Straßenverkehr verwöhnen die beiden mit ungemein sensibel ansprechenden Gabeln, die aber für harte Bremsungen etwas mehr Druckstufendämpfung bieten sollten. Die ZXR-Gabel braucht dafür anderes Dämpferöl, während die Showa-Gabel der Suzuki zwar in der Druckstufe einstellbar ist, aber auch mit der straffsten Justierung eher soft dämpft.

Anders die Yamaha. Wenn ihr auf der Autobahn eine Folge von Querrillen unters Vorderrad kommt, teilt sie unter der Belastung leichte Hiebe aus, ohne sich aber aus ihrer Bahn bringen zu lassen. Auf der Rennstrecke und angesichts der gewaltigen Bremsleistungen paßte die straffe Druckstufe bestens, und so mußten wir nichts von den ohnehin kargen Einstellmöglichkeiten nutzen. Der Kompromiß, den die Yamaha-ingenieure bei der Abstimmung gefunden haben, bringt der YZF reichlich Punkte. Die Ducati darf ebenfalls kräftig kassieren, denn auch die Italienerin mit den japanischen Showa-Federelementen absolvierte Straße und Rennstrecke mit derselben Abstimmung - zur vollen Zufriedenheit der Tester.



Die Duc ist zwar leicht - an den Sozius-Haltegriffen ließe sich aber noch Gewicht sparen
Die wollte sich angesichts der Verarbeitungsqualität der Ducati nicht mehr einstellen. Je länger der Test dauerte, desto zwiespältiger wurden die Kommentare der Tester. Je nachdem, ob Fahren oder Schrauben angesagt war, wurde gelobt oder geflucht. Die Ducati tropfte öl durch eine defekte Gehäusedichtung, machte ärger mit dem Regler der Lichtmaschine und streifte beim Bremsen mit dem Vorderreifen am Vorderteil der Verkleidung. Solche unnötigen Schlampereien ärgern doppelt, weil die 888 mit einem Preis von 27900 Mark teuer bezahlt werden muß. Als Italien aus dem europäischen Währungsfonds ausscherte und der Kurs der Lira gegenüber der Mark nachgab, waren die Verkaufserlöse aus dem starken Ducati-Markt Deutschland plötzlich weniger wert. Die italienischen Verkaufsstrategen erhöhten deshalb die Einkaufspreise für den deutschen Importeur sukzessive - seit der Bologneser Messe bereits zum drittenmal. Obwohl die Mark in Italien mehr an Wert gewonnen hat, kann der Kunde davon also nicht profitieren.


Einstellungssache: Die sehr sensibel ansprechende Gabel der Suzuki GSX-R 750 W läßt sich für das Fahren auf der Rennstrecke in der Druckstufe verstellen. Als einziges Motorrad dieses Vergleichstestes wird die Suzuki serienmäßig mit einem Lenkungsdämpfer ausgestattet
Als krasses Gegenteil der Ducati profiliert sich die Suzuki. Natürlich wurde auch sie nicht mit edelbike-tauglicher Sorgfalt verarbeitet, aber sie funktioniert perfekt. Und der dumpingähnlich günstige Preis von knapp unter 16000 Mark gewinnt angesichts der Tatsache, daß die GSX-R so gut wie keine der drei anderen Supersportler fürs Fahren zu Zweit geeignet ist, noch zusätzlichen Reiz. Eine Suzuki GSX-R als sportliches Allround-Motorrad - warum nicht?

Großes Lob verdient auch das Preis-/Leistungsverhältnis, das Yamahas YZF dem Käufer bietet. Sie hat schon jetzt eindrucksvoll bewiesen, daß es auch ohne superteuere OW 01-Technik gelingt, in der supersportlichen Klasse ganz nach vorn zu kommen.


Auch auf die Gefahr, es zu oft zu wiederholen: Eine gediegene Verarbeitung und ihre konsequent-sportliche Konzeption lassen auch den höheren Preis der Kawasaki gerechtfertigt erscheinen.


Die Yamaha hat nicht zuwenig Leistung - sie ist nur am ehrlichsten gedrosselt. Die günstige Hinterradleistungskurve der YZF 750 R spiegelt sich auch im guten Durchzug wieder.

 

 

FAZIT

Der Yamaha YZF 750 R ist ein Einstand nach Maß gelungen. Fast perfektes Fahrverhalten und ein günstiger Preis sätzen sie an die Spitze des Vergleichsfeldes. Bis auf ein kleines Handling- und Gewichtsproblem leistet sich die Kawasaki mit ihrem superstarken Motor keine Schwächen und wird Zweite. Den dritten Treppchenplatz teilen sich die Suzuki und die Ducati; sie erreichen ihn aber auf völlig verschiedenen Wegen. Während die Suzuki in den Fahreigenschaften etwas zurückfällt und eher durch Alltagstauglichkeit glänzt, liegt die Ducati in den Motor- und Fahrwerkswertungen ganz vorn und vergibt diesen Vorsprung durch eine unbefriedigende Bremse, Mängel in der Verarbeitung und einen hohen Preis. Konsequent verbessert und etwas preisgünstiger - dann könnte die Duc den Vergleich gewinnen.

DUCATI 888 Strada KAWASAKI ZXR 750 SUZUKI GSX-R 750W YAMAHA YZF 750R
Motor
Bauart / Zylinderzahl Viertakt 90 Grad V2 Viertakt-Reihe/4 Viertakt-Reihe/4 Viertakt-Reihe/4
Bohrung / Hub: 94 x 64 mm 71 x 47,3 mm 70 x 48,7 mm 72 x 46 mm
Hubraum: 888 cm3 749 cm3 749 cm3 749 cm3
Verdichtung: 11:1 11,5:1 11,8:1 11,5:1
Leistung, Werksangabe: 98 PS (72 kW) 9000/min 100 PS (74 kW) 11.000/min 100 PS (74 kW) 11.500/min 98 PS (72 kW) 11.000/min
Ventile pro Zylinder 4 4 4 5
Schmierung Naßsumpf-Druckumlauf Naßsumpf-Druckumlauf Naßsumpf-Druckumlauf Naßsumpf-Druckumlauf
Gemischbildung
Hersteller/ Anzahl Weber-Marelli Keihin/4 Mikuni/4 Mikuni/4
Bauart Zünd-Einspritzanlage Gleichdruck Gleichdruck Gleichdruck
Typ Alpha/N CVKD 38 BST 38 Slingshot BSDT 38
Durchlaß 50 mm 38 mm 38 mm 38 mm
Kraftübertragung
Kupplung Mehrscheiben- Trocken Mehrscheiben- ölbad Mehrscheiben- ölbad Mehrscheiben- ölbad
Primär übersetzung: 2,00 1,75 1,74 1,9
Sekundär übersetzung: 2,47 2,75 2,80 2,69
Gangstufen: 2,47/ 1,76/ 1,35/ 1,09/ 0,96/ 0,88 2,85/ 2,06/ 1,65/ 1,39/ 1,22/ 1,10 2,86/ 2,05/ 1,65/ 1,42/ 1,26/ 1,12 2,57/ 1,94/ 1,56/ 1,37/ 1,22/ 1,08
Fahrwerk
Rahmenbauart: Stahl Gitterrohr Leichtmetall- Brücke Leichtmetall- Doppelschleife Leichtmetall- Brücke
Federweg vorn/hinten: 120/110 mm 120/135 mm 120/136 mm 120/130 mm
Gabelstandrohr- durchmesser 41 mm 41 mm 41 mm 41 mm
Lenkkopfwinkel: 65,5 Grad 65 Grad 65,5 Grad 66 Grad
Nachlauf 100 mm 99 mm 94 mm 108 mm
Räder und Bremsen
Räder Dreispeichen- Leichtmetallguß Dreispeichen- Leichtmetallguß Dreispeichen- Leichtmetallguß Dreispeichen- Leichtmetallguß
Felgengröße vorn/hinten: MT3,50 x 16 / MT5,50 x 17 MT3,50 x J17 / MT5,50 x J17 MT3,50 x 17 / MT5,50 x 17 MT3,50 x J17 / MT5,50 x J17
Bremse vorn Doppelscheibe, Vierkolben-Festsättel Doppelscheibe, Vierkolben-Festsättel Doppelscheibe, Vierkolben-Festsättel Doppelscheibe, Sechskolben-Festsättel
Bremse hinten: Einscheibe, Zweikolben-Festsättel Einscheibe, Doppelkolben-Festsättel Einscheibe, Zweikolben-Festsättel Einscheibe, Zweikolben-Festsättel
Bremsendurchmesser vorn/hinten: 320/245 320/230 310/240 320/245
Reifen
Serien-Typ Michelin TX11 / TX23 HiSport Dunlop Sportmax Michelin A/M 59 X Bridgestone Battlax BT 50 F/R
Größe vor/hinten: 120/70 ZR 17 / 180/55 ZR 17 120/70 ZR 17 / 180/55 ZR 17 120/70 ZR 17 / 170/60 ZR 17 120/70 ZR 17 / 180/55 ZR 17
Abmeßungen / Gewichte
Länge/ Breite / Höhe: 2040/670/1140 mm 2200/730/1125 mm 213/820/1140 mm 2160/730/1165 mm
Radstand: 1430 mm 1430 mm 1450 mm 1420 mm
Lenkerbreite: 660 mm 630 mm 695 mm 630 mm
Radlast vorn/hinten: 110/114 kg 117/120 kg 118/121 kg 111/114,5 kg
Fahrfertig vollgetankt: 224 kg 237 kg 239 kg 225,5 kg
Zulässiges Gesamtgewicht: 390 kg 415 kg 420 kg 425 kg
Zuladung: 160 kg 178 kg 181 kg 199,5 kg
Tankinhalt/ Reserve: 19/5 l 18/5 l 21/4 l 19/5 l
Messwerte
Höchst- geschwindigkeit: 246 km/h 248 km/h 236 km/h 232 km/h
Beschleunigung:
0-50 km/h: 1,7 s 1,7 s 1,8 s 1,8 s
0-100 km/h: 3,6 s 3,6 s 3,6 s 3,7 s
0-150 km/h: 6,7 s 6,8 s 7,1 s 7,3 s
0-200 km/h: 12,3 s 12,3 s 13,5 s 14,1 s
0-400 m: 11,6 s 11,6 s 11,8 s 11,9 s
Durchzug:
50-100 km/h: 7,1 s 6,7 s 7,7 s 6,5 s
100-150 km/h: 7,5 s 6,8 s 7,3 s 6,4 s
Testverbrauch:
Durchschnitt 6,2 6,8 6,9 8,3
Kraftstoffart Super bleifrei Normal bleifrei Super bleifrei Normal bleifrei
Reichweite mit Tankfüllung: 309 km 265 km 304 km 229 km
Preis: 27 900 DM 18 190 DM 15 955 DM 17 200 DM


Original article © 1993 PS / © MPI
Digitized ©1997 Norbert Dombi